Also ich beschreibe hier am besten mal, womit ich mich so in letzter Zeit beschäftigt habe:
Ursprünglich sollte es ein ganzes Museum für Blinde werden. Leider ist das Projekt allerdings geplatzt und so habe ich mich alleine mit einer Freundin dem Thema Blindheit zuerst und später dann der Dunkelheit gewidmet, aus der dann die Performance entstand.
Material: der Raum, Stühle, Wasserwanne, warmes Wasser, Handtuch, Bademantel, Rasierschaum, Rasierer, Kleidung, Schuhe, Folie/Abdeckplane, ein Fenster (mit der Folie verdunkelt), eine Nähnadel.
Das "Drehbuch": Es sitzen etwa 20 Leute im völlig dunklen Raum. Sie wissen nicht, was sich in dem Raum befindet, mussten sich beim eintreten an der Wand entlang zu ihren Sitzplätzen vortasten. Sobald alle sitzen und es leiser wird, betritt die Künstlerin den Raum. Durch die Eingangstüre kommt ein schwacher Lichtschein in den Raum, der ihre Silhouette erkennen lässt. Sie schließt hinter sich die Türe, es wird wieder absolut dunkel.
Die Zuschauer hören die Geräusche von Kleidung, Reißverschluss, das Ausziehen von Schuhen, Kleidung, die auf den Boden fällt. Die Zuschauer hören die Künstlerin im Raum an ihnen vorbei gehen (in etwa 1-1,5 Metern Abstand zu den Zuschauern).
Die Künstlerin bleibt an einem Ende des Raumes stehen und bohrt mit einer Nadel ein Loch in eine Abdeckfolie. Durch das Loch erscheint ein kleiner, heller Lichtpunkt, der aber den Raum nicht erhellen kann.
Die Künstlerin bewegt sich quer durch den Raum, dann bleibt sie stehen. Man kann das geplätscher von Wasser hören (die Künstlerin wäscht sich in einer einfachen Wasserwanne mit klarem Wasser).
Dann bewegt sich die Künstlerin wieder an den Zuschauern vorbei, diesmal mit einem etwas geringeren Abstand als vorher.
Sie geht wieder zum Fenster, sticht zwei weitere Löcher in die Abdeckplane, die bestenfalls die unmittelbare Umgebung des Fensters etwas erhellen können.
Die Künstlerin begibt sich wieder quer durch den Raum hin zu der Wasserwanne. Geräusche von Rasierschaum sind zu hören.
Die Künstlerin geht wieder an den Zuschauern vorbei zum Fenster, noch etwas näher als zuvor. Der Geruch des Rasierschaums breitet sich langsam aus. Am Fenster sticht sie drei weitere Löcher in die Folie. Das unmittelbare Umfeld des Fensters wird jetzt leicht erkennbar. Man kann in der Nähe des Fensters die Umrisse der Künstlerin erahnen. usw. usw.
Der Vorgang wiederholt sich so oft, bis die Künstlerin beim Vorbeigehen an den Zuschauern diese teilweise streift und das Licht soweit den Raum durchdringt, dass man dessen Rumrisse erkennen kann. Dann zieht sich die Künstlerin einen Bademantel an und verlässt den Raum. Die Türe lässt sie einen Spalt weit offen, so dass man nun den kompletten Raum mit allen Gegenständen erfassen kann.
Die Gedanken dazu: Die ganze Performance wurde vielleicht ein bisschen von den frühen Arbeiten von Rebecca Horn beeinflusst, die das Thema Verdecken/Aufdecken, Distanz und Nähe ja auch mehrfach aufgegriffen hat. Die Rasur wurde deshalb gewählt, weil sie einen selbstverständlichen, nicht beschämenden, aber dennoch intimen Vorgang darstellt, dessen Ergebnis nicht immer sichtbar ist. (die Leute hören zwar, dass ich mich rasiert habe, wissen aber nicht genau, wo und wie. Im Gegensatz dazu stünde das Schminken, bei dem das Ergebnis sofort sichtbar wird. Die glatte Haut dagegen kann durchaus weiterhin im verborgenen sein).
In der Dunkelheit - denke ich - wird Nähe und Distanz auch ganz anders spürbar, als in der Helligkeit. Das Wechselspiel zwischen eben diesen beiden Polen Nähe und Distanz wird also auf mehreren Ebenen spürbar gemacht. (oh, wie ich Ebenen liebe...)
Einmal auf eben der optischen Ebene (also die Dunkelheit, die Intimität und distanz schafft), die aber durch das genaue Wissen, dass sich eine nackte Person im Raum befindet, wieder aufgelöst wird. Der intime vorgang, der wiederrum Nähe zulässt, aber doch nicht gezeigt wird. Die körperliche Nähe, wenn ich die Zuschauer streife, das Wechselspiel, wenn ich mich ganz in ihre Nähe, und danach wieder von ihnen weg bewege....
Der Zuschauer wird nie zum Voyeur. Die Privatsphäre bleibt durch die Dunkelheit gewahrt, wird durch das Licht dann angekratzt (das ist der Spannungsfaktor), aber nie ganz aufgelöst.
Naja, die Theorie ist bei mir immer ein ganzschönes Wirrwar, aber was solls...
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"hm..." (Das ist meine Signatur)